Über die Myrthe
![]() | Anlass Eine kleine Kulturgeschichte der Myrthe |
Myrtus lalifolia Romana [Myrte] (Originaltitel)
Anonym (Entwurf) (Wien, 1801-1850)
Zweig mit spitz zulaufenden Laubblättern, an den Blattachseln sitzen weiße Blüten
Aus der Sammlung des MAK – Museum für angewandte Kunst, Wien
Die Myrthe, inzwischen meist ohne „h“ Myrte geschrieben, mit lateinischem Namen „myrtus communis“, auch die Gemeine Myrte, ist ein immergrüner Strauch aus der Familie der Myrtengewächse. (Myrtaceae). Die Myrte ist als einzige Vertreterin dieser Familie im Mittelmeergebiet von den Kanaren im Westen bis nach Vorderasien im Osten anzutreffen. Seit der Antike kultiviert, findet man sie am ehesten in Macchien und Wäldern auf kalkfreiem, feuchterem Boden.
Zwischen Mai und August treibt die Myrthe weiß und duftend ihre zahlreichen Blüten aus. In reichlichen Verzweigungen kann die Myrthe als immergrüner Strauch bis zu fünf Meter hoch werden. Die Oberseite ihrer Blätter ist grüner als die leicht hellere Unterseite. Die Früchte sind erbsengroß und schmecken leicht säuerlich. Die Beeren reifen zwischen November und Dezember und entfalten dann einen sehr guten Geruch.
Man kann ihre Blüten, Blätter und Beeren für die unterschiedlichsten Anwendungsformen verwenden. Die Myrte ist appetitanregend, antibakteriell, lindert Nervosität und hilft bei Lungenproblemen. Aus ihren Blättern lässt sich Tee zubereiten und ähnlich dem Lorbeer findet sie in der Küche viele Verwendbarkeiten.
Aus der Heilpflanze lässt sich wirkungsvolles Öl gewinnen. Das darin enthaltene Geraniol beruhigt und entspannt während das belebende Ciniol als Wachmacher fungiert. Myrten Öl macht gelassen und frisch, wirkt desinfizierend und entzündungshemmend. Ein paar Tropfen Myrten Öl als Inhalation hilft bei Lungenkrankheiten.
Die Myrte wird seit jeher auch als „Welsche Heidelbeere“ bezeichnet.
In der Zeit der Babylonischen Gefangenschaft trugen junge Jüdinnen einen Myrtenkranz als Zeichen ihres Brautstandes.
Die alten Griechen haben die Myrthe der Aphrodite geweiht, die Römer der Venus. Zu bestimmten Anlässen wurden Myrtenzweige auf einen zu beschreitenden Weg gestreut, während Weihrauch verbrannt wurde.
Ein Myrtenkranz wurde der jungfräulichen Braut geflochten, in der Renaissance kam dieser Brauch auch in Mitteleuropa zur Geltung, wobei auch Bräutigam und Trauzeugen Myrtenzweige angesteckt bekamen.
Das Ritual sah vor, dass die junge Ehefrau einen bei ihrer Vermählung getragenen Zweig aus dem Myrtenkranz in die Erde setzte und wartete bis dieser Wurzeln schlug. Der weitere Verlauf des Wachsens wurde als Vorhersage eines beständigen Eheglücks angesehen und laufend gepflegt. Die Myrte wurde später dann auch mit in die Wohnstuben genommen und wurde so zu einer der ältesten Zimmerpflanzen.
Noch heute tragen griechische Brautleute einen Myrtenkranz auf dem Kopf, sobald sie sich das Ja-Wort gegeben haben.
Die Myrte gilt als Schutzpflanze der Liebenden und wird deshalb auch häufig „Brautmyrthe“ genannt werden.
Überliefert ist auch der Glaube, dass die Myrte die bösen Geister aus dem Hause fernhält.
Was erinnert in Österreich noch an die Myrte?
Im 7. Bezirk in Wien verläuft die Myrthengasse, zur Hälfte als romantische Fussgängerzone, von oben an die Burggasse grenzend bis hinunter zur Lerchenfelderstraße:
Myrthengasse 7
Die Myrthengasse in Wien 1070
1962-02-15
Wien 7, Myrthengasse 7
Aus der Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek
Myrthengasse 10
August Stauda, 1905
'Zum blauen Löwen'. Aufnahme von rechts gegen die Neustiftgasse.
Aus der Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek
Die Myrthengasse
August Stauda, 1903
Wien 7, Burggasse 66
Aufnahme über Eck mit Front Myrthengasse 2.
Aus der Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek
Myrthengasse Zum Blauen Löwen
Wien 8, Myrthengasse 10
Hans Siegenfeld,
Datierung 1962-07-30
Aus der Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek
Im Semmeringgebiet erinnert der Myrthengraben an den immergrünen Strauch und seine jahrhunderte-alte Verwendung in der europäischen Kulturgeschichte:
Der Myrthengraben
Myrthengraben
Aussicht von der Brücke über den Myrthengraben
Friedrich Würthle, (Konstanz 1820 - 1902 Salzburg)
ca. 1881
Aus der Fotosammlung der Albertina
Die Myrthenbrücke
Myrthenbrücke
Leander Russ - Eröffnung der Semmeringstrecke durch Kaiser Ferdinand - 1841
Austria Wiki
https://austria-forum.org/af/AustriaWiki/Semmering-Passstraße
Neben den in Natur und Stadt verorteten Erinnerungen an die frühere Strahlkraft der Myrte erinnert der Myrthenblütenwalzer von Johann Strauß Sohn op. 395
Link: Zu finden auf diversen musikalischen Plattformen oder diversen sozialen Medien.
Myrthenblüthe
Myrthenblüthen, Walzer für Männerchor und Orchester; op. 395
Strauss, Johann (1825 - 1899)
Datierung [1881-1882]
Aus der Musiksammlung der Wienbibliothek im Rathaus
Modernes Kulturgeschichtliches: *Die Maulende Myrte!
Ähnlich der Pflanze, die als nicht winterfest und sehr anspruchsvoll gilt, wurde die Figur "die Maulende Myrte", die in allen geradzahligen Büchern von Harry Potteranzutreffen ist (Band II, IV, und VI) von Joanne Kathleen Rowling als nicht sehr anspruchsloses Wesen aus Hogwarts konzipiert. Immerhin trägt sie zum Fortbestandes der "myrthe" durch den Erfolg des Buches und der Verfilmungen nachhaltig bei.