Ottmar Zeiller – Kunst im Detail

Der digitale Werkkatalog der Kleinplastik von Ottmar Zeiller (1868–1921)

Der digitale Katalog vereint knapp vierhundert Objekte. Die meisten bestehen aus Holz, wovon etwa fünfzig in Bronze gegossen wurden. Es sind vereinzelt Skulpturen aus Rinde, Elfenbein und Knochen erhalten. Die Besonderheit der Figuren besteht aber weniger im Material als in ihrer Größe. Ohne Sockel gerechnet starten die Holzfiguren bei acht Millimetern, manche Bronzefiguren sind mit zehn Millimetern nur minimal größer.

Entstanden ist ein Panoptikum für alle, die von Klein(st)bildhauerei fasziniert sind, und eine Forschungsplattform für die Kunstgeschichte, die Ottmar Zeiller, geboren 1868, gestorben 1921 (der verschiedentlich auch als Othmar, Ottomar, Otto sowie Zeiler unterschrieb oder genannt wurde), endlich als Akteur entdecken kann, obwohl er nicht im zeitgenössischen Kunstbetrieb reüssierte. Ein Zeitungsartikel von Hugo Greinz, der zu Zeillers Tod erschien, hatte diesem den Ruf des genialischen, aber bummelnden Vaganten eingebracht und steuerte die spätere Rezeption. Doch die im Rahmen dieses Werkkatalogs gewonnenen Rechercheergebnisse widersprechen dieser Einschätzung.

Von der Medizin zur Kunst

Ottmar Zeiller, in Enneberg (heute Südtirol) geboren, genoss eine gutbürgerliche Bildung und schloss ein Medizinstudium ab. Statt aber dann zu promovieren oder die praktische Phase anzuschließen, ging er nach Berlin, um dort als Bildhauer und Modelleur zu arbeiten. Es folgten Studien an der Städtischen Modellierschule in München und an der Großherzoglichen Badischen Akademie der bildenden Künste in Karlsruhe bei Ludwig Schmid-Reutte. Wieder in Berlin eröffnete er eine eigene Zeichenschule, schnitzte seine kleinen Figuren, stellte diese erstmals 1904/1905 aus und fertigte auch bereits Bronzeabgüsse an. 1908 folgte Ottmar Zeiller einem Ruf an die Fachschule für Holzarbeiten in Gröden, doch beendete er die gut dotierte Anstellung von sich aus nach zwei Jahren, um wieder als freier Künstler zu leben.

Kunst im Kleinformat

Dem zeitgenössischen Trend zum „Großen“ folgte er nicht. Während etwa Auguste Rodin (1840–1917) seinen „Denker“ (1904) für den öffentlichen Raum vergrößerte, erprobte Ottmar Zeiller wohl etwa zeitgleich die Verkleinerung: Sein „Denker“ ist 1,7 cm groß, 10,7 cm mit „Sockel“, der allerdings in vielen Fällen einfach der längere Teil des Schnitzholzes zum Festhalten ist. Es zeigt sich anschaulich, wie knapp der Raum ist, aus dem Ottmar Zeiller seine Figuren herausarbeitete.

Seine Freundschaft mit dem gleichaltrigen Maler Albin Egger-Lienz (1868–1926), der großformatige Ölgemälde schuf, ist vor diesem Hintergrund überraschend, aber nicht unlogisch – beide loteten Grenzen aus und kamen sich dabei nicht in die Quere. Ottmar Zeiller schuf von Albin Egger-Lienz auf dessen Wunsch 1912 eine Porträtfigur (7,5 cm groß ohne Sockel). Wie durch Briefe belegt ist, erbat Albin Egger-Lienz auch einen Silberguss. Leider war dieser nicht aufzufinden. Immerhin gibt es, wie sich jetzt dank des Katalogs zeigen lässt, eine kleinere Ausführung in Holz (wohl eine Vorstufe oder Studie), dann die Holzfigur, die als Gussvorlage diente, sowie drei Bronzeabgüsse.

Auch bei anderen Figuren darf man Porträts vermuten, doch wird sich das in den meisten Fällen nicht eindeutig feststellen lassen. So dürfte die an anderer Stelle als „Schreitender Bauer“ betitelte Figur den auf dem linken Ohr schwerhörigen Adolf Loos (1879–1933) darstellen, der im Bekanntenkreis Ottmar Zeillers vermutet werden kann. Und die Figur des Wirts kann ebenso ein Porträt darstellen, wie allein typische Züge eines Wirts tragen.

Die Figuren digital erleben

Die meisten Figuren, die der Werkkatalog auflistet, befinden sich in Privatbesitz und sind nur auf diesem Wege überhaupt zu sehen. Erstmals lassen sich Fragen zu Ottmar Zeillers Figurenkosmos und Arbeitsweise stellen. Sein Nachlass umfasst vor allem Lebensdokumente wie Zeugnisse und Abschlüsse. Nur wenige Briefe an ihn haben sich gefunden. Die Rekonstruktion seiner Vita ist aufwendig. Sie ist in Arbeit und wird diesem Katalog an die Seite gestellt.

Der Katalog bietet gut vierhundert Objekte, die in Rundum-Ansicht mit 16 Einstellungen fotografiert wurden. Alle sind beschrieben, beschlagwortet und nach verschiedenen Kriterien suchbar. Abschließend sei auf die Vorteile der digitalen Darstellung vor allem bei diesen Figuren hingewiesen: Wer den Katalog aufruft, wird die genauen Maßangaben der Figuren finden und kann sie am eigenen Bildschirm beliebig groß oder klein darstellen. Unter Verwendung eines analogen Lineals ist es möglich, die reale Größe der Objekte nachzuvollziehen.

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