Physik, Poesie und Widerstand

Die Sammlungen Schrödinger/March/Braunizer am Forschungsinstitut Brenner-Archiv

2017 erhielt das Forschungsinstitut Brenner-Archiv der Universität Innsbruck eine umfangreiche Sammlung mit Teilnachlässen der österreichischen Physiker Erwin Schrödinger und Arthur March sowie deren Familien. Die Dokumente wurden von Schrödingers Tochter Ruth Braunizer in Alpbach aufbewahrt, wo Schrödinger seine letzten Lebensjahre verbrachte und seinem Wunsch entsprechend auch beerdigt wurde.

Pioniere der Quantenphysik

Der 1887 in Wien geborene Erwin Schrödinger war einer der Pioniere der Quantenphysik und zählt als Begründer der Wellenmechanik zu den einflussreichsten Physikern des 20. Jahrhunderts. Nach dem Studium in Wien nahm er am Ersten Weltkrieg teil, 1920 heiratete er Annemarie Bertel, die Tochter des Schauspielers und k. u. k. Hoffotografen Eduard Bertel. Als Nachfolger von Albert Einstein und Max von der Laue formulierte er 1925 in Zürich die berühmte Schrödingergleichung, 1933 erhielt er „für die Entdeckung neuer fruchtbarer Formen der Atomtheorie“ den Nobelpreis.

Nach seiner Entlassung wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ in Graz wirkte er die nächsten 16 Jahre am Institute for Advanced Studies in Dublin. Dort hielt er seine 1944 publizierte Vorlesungsreihe „What is Life?“, mit der er maßgeblich zur Erforschung der physikalischen Struktur genetischer Information beigetragen hat. 1956 kehrte Erwin Schrödinger schließlich nach Österreich zurück, 1961 starb er in Alpbach.

Zwischen Wissenschaft und Widerstand

Arthur March, geboren 1891 in Brixen, studierte in Innsbruck, München und Wien Physik und Mathematik. In den Vorlesungen von Friedrich Hasenöhrl in Wien lernte er Erwin Schrödinger kennen, mit dem er lebenslang befreundet blieb. Während seiner zehnjährigen Lehrtätigkeit am Innsbrucker Mädchenrealgymnasium habilitierte sich Arthur March für theoretische Physik und wurde 1926 außerordentlicher Professor an der Universität Innsbruck.

Wie Erwin Schrödinger gilt Arthur March als einer der Urväter der Quantenphysik. Schrödinger, der 1933 nach Oxford kam, bewirkte dort für March eine zweijährige Gastprofessur. 1934 kam in Oxford Schrödingers Tochter Ruth zur Welt, deren Mutter Marchs Frau Hildegunde war. Nach seiner Rückkehr wurde Arthur March an der Universität Innsbruck zum Ordinarius für Theoretische Physik ernannt. 1939 folgte Hilde March mit ihrer Tochter Erwin Schrödinger nach Dublin, sie kehrten erst nach dem Krieg wieder nach Innsbruck zurück.

Nachdem sich Arthur March in den letzten Kriegsmonaten der Widerstandsbewegung angeschlossen hatte, war er nach Kriegsende für kurze Zeit Mitglied der provisorischen Tiroler Landesregierung, bevor er sich wieder bis zu seinem Tod 1957 der Wissenschaft widmete.

Wissenschaft, Kunst und Erinnerungen

Die Sammlungen enthalten Erwin Schrödingers und Arthur Marchs Schriften und Notizen zur Physik, Unterlagen zu deren universitären Lehre, Korrespondenzen und eine Vielzahl an Fotografien und Lebensdokumenten. Einblick in Erwin Schrödingers Arbeit geben etwa seine zahlreichen Notizhefte. Sowohl Arthur March als auch Erwin Schrödinger waren literarisch ambitioniert. Der schon in früher Jugend an Lyrik interessierte Erwin Schrödinger hinterließ Gedichtabschriften und Manuskripte mit eigenen Gedichten, von denen ein Teil 1949 publiziert wurde. International bestens vernetzt erhielt er Sonderdrucke aus aller Welt, von denen hier jene mit persönlichen Widmungen der Autoren und Anmerkungen Erwin Schrödingers gezeigt werden. Ein Konvolut von Ansichtskarten und Fotografien erzählt von den zahlreichen Reisen der Schrödingers. Erhalten sind auch Dokumente und Fotoalben von Erwin Schrödingers Eltern und Vorfahren. Zu den Lebensdokumenten gehören Ausweise, wie der Reisepass und das Meldungsbuch der Universität Wien.

Weitere Archivalien dokumentieren die zahlreichen Ehrungen, die Erwin Schrödinger für sein Werk erhielt, etwa die Nobelpreisurkunde von 1933, die Urkunde für das Ehrendoktorat der Universität Edinburgh sowie das nach seiner Rückkehr 1957 verliehene Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst. Darüber hinaus gibt es ein Konvolut von Zeitungsausschnitten mit Berichten über Schrödinger und naturwissenschaftliche Themen.

Erwin Schrödingers Vater Rudolf war nicht nur Wachstuchfabrikant und Botaniker, sondern auch ein talentierter Künstler. Das Brenner-Archiv verwahrt eine große Anzahl seiner Zeichnungen und Skizzenbücher.

Wie aus einer umfangreichen Sammlung von Glasplattennegativen (ein Großteil davon Stereofotografien) und Fotoalben aus den späten 1920er Jahren ersichtlich ist, war Arthur March, dessen Vater Josef ein Fotoatelier in Brixen unterhielt, selbst ein begabter Fotograf, der Reisen, u.a. nach Wien, Rom, Florenz, Venedig, Paris und London sowie Ausflüge und Wanderungen festhielt und sich auch als Portraitfotograf betätigte.

Zu den Memorabilien im Bestand zählen etwa Erwin Schrödingers Pfeifensammlung und Brillen.

Weiterführende Links