Auf den Spuren verstreuter Buchschätze

Mittelalterliche Handschriften des Zisterzienserstiftes Stams

Etwa 400 mittelalterliche Handschriften der ehemaligen Büchersammlung des Zisterzienserstiftes Stams im Tiroler Oberinntal sind bis heute erhalten geblieben – mehr als aus jedem anderen Tiroler Kloster. Heute stehen nur noch etwa 60 davon in der Stamser Stiftsbibliothek. Als Tirol zu Beginn des 19. Jahrhunderts unter bayerischer Verwaltung stand, wurde das Kloster zwischenzeitlich aufgehoben; etwa 300 Handschriften wurden damals zusammen mit anderen, gedruckten Büchern an die Lycealbibliothek (die heutige Universitäts- und Landesbibliothek Tirol) nach Innsbruck gebracht. Einzelne Handschriften gelangten über die Jahrhunderte hinweg in andere öffentliche oder private Bibliotheken in und außerhalb Österreichs.

Alte Zeugnisse zur mittelalterlichen Bibliothek

Welche Bücher in der mittelalterlichen Bibliothek des Stiftes standen, belegen für den Tiroler Raum einzigartige Dokumente: Eine erhaltene Liste verzeichnet Handschriften, die von einzelnen Mönchen des Klosters zur Lektüre ausgeliehen wurden. Angelegt wurde sie nur einige Jahre nach der 1273 erfolgten Gründung des Stiftes Stams. Zudem ist der umfangreichste mittelalterliche Bibliothekskatalog Tirols aus dem Jahre 1341 erhalten.

Handschriften aus dem Mutterkloster Kaisheim

Bereits die ersten Mönche, die aus dem Mutterkloster Kaisheim im Allgäu nach Stams kamen, hatten Bücher in ihrem Reisegepäck: praktische Literatur für den Klosteralltag und Texte für den Unterricht, aber auch Bibeltexte und für Gebet und Gottesdienst unentbehrliche liturgische Werke.

Bücher für das Seelenheil und zum Studium

Über die Jahrhunderte vergrößerte sich die Sammlung vor allem durch Schenkungen: Einzelne Bücher oder ganze Konvolute wurden dem Kloster von Personen überlassen, die in den meisten Fällen dafür ihr Seelenheil gesichert sehen wollten. Mehrere Handschriften wurden von Stamser Mönchen von ihren Studienorten Paris oder Heidelberg, später aus Ingolstadt oder Dillingen mitgebracht. Nur selten verraten die Schreiber der Bücher ihren Namen oder ihren Arbeitsort. Schrift, Buchmalerei, Wasserzeichen im Papier oder beiläufige Notizen helfen jedoch oft herauszufinden, wann und wo eine Handschrift entstanden ist.

Schreiben und Illuminieren in und außerhalb des Stiftes

Stamser Mönche waren auch selbst als Schreiber tätig. Dabei stand das Kopieren von vorhandenen oder ausgeliehenen Büchern im Vordergrund, in geringem Ausmaß gab es auch eigene literarische Ambitionen. In Stams nutzte man das hervorragende Netzwerk mit anderen Klöstern: Mit dem nahegelegenen Prämonstratenser Chorherrenstift Wilten ist ein regelrechter „Leihverkehr“ belegt. Auch Zeugnisse Stamser Buchmalerei sind erhalten. Aufwändig illuminierte Handschriften sind aber meist nicht vor Ort entstanden, sondern in Werkstätten in Frankreich, Italien oder Böhmen hergestellt worden und teils über Umwege nach Stams gelangt.

Recycling im Mittelalter

Bücher, die oft gebraucht wurden oder an Aktualität verloren, wie Schul- oder Messbücher, sind kaum noch erhalten. Viele wurden absichtlich zerstört, das beschriebene Pergament von Buchbindern weiterverwendet.

Die Bibliothek erhält ein neues Gesicht

Um die zunehmende Menge an Büchern zu bändigen, waren immer wieder Neuordnungen und Neuaufstellungen in wechselnden Räumlichkeiten notwendig. Löcher in den Einbanddeckeln beweisen, dass die Handschriften zumindest eine gewisse Zeit auf Pulten oder in Kästen mit Ketten vor Diebstahl gesichert wurden. Vielen Einbänden wurde im 18. Jahrhundert weißes Leder um den Rücken geschlagen, um der damaligen Barockbibliothek ein einheitliches Erscheinungsbild zu verleihen. Eine Neubindung, wie sie teilweise in anderen Klöstern in dieser Zeit erfolgte, kam in Stams aus Kostengründen nicht in Frage. So blieben die wertvollen Originaleinbände großteils erhalten.

Lesespuren

Die Bücher wurden gelesen, studiert und ergänzt: Bemerkungen zum Inhalt des Buches, Notizen zu aktuellen privaten oder politischen Ereignissen, Einträge zu beobachteten Naturerscheinungen, aber auch Wasserflecken, Wachsspuren, gebastelte Lesezeichen oder eingelegte Notizzettel zeugen von der Intensität des Gebrauchs.

Virtuell vereint

Neben den im Kulturpool präsentierten Stamser Handschriften sind noch weitere Handschriften an Institutionen in und außerhalb Österreichs bekannt. Von vielen liegen bereits Digitalisate vor. Alle erhaltenen, bekannten und digitalisierten Stamser Handschriften werden im Portal „Bibliotheca Stamsensis digital“ der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol virtuell wiedervereint.

Verfasst von

Anna Pinter und Claudia Schretter-Picker (Universitäts- und Landesbibliothek Tirol)

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