Fernweh
Künstler:innen auf Reisen
Antike Bauwerke, sonnige Landschaften oder heimische Bergwelten: Das Reisen inspirierte zahlreiche Künstler:innen zu neuen Blicken und Bildwelten – von Johann Wolfgang von Goethe über Caspar David Friedrich bis hin zu Tina Blau und Anna Baar-Plommer. Die ALBERTINA widmet sich in einer Sommerausstellung (bis 24. August 2025) dieser künstlerischen Reiselust anhand ausgewählter Meisterwerke des 18. und 19. Jahrhunderts aus dem eigenen Bestand. Viele davon - und noch viele weitere Digitalisate zum Thema Fernweh - sind auch im Kulturpool verfügbar.
Zeitlose Sehnsucht
Fernweh – die Sehnsucht nach dem Unbekannten und der Weite – ist als Begriff eine Erfindung der Romantik, war aber als Phänomen keineswegs auf diese Epoche beschränkt. Dieses Gefühl, die vertraute Umgebung zu verlassen, neue Landschaften und Orte kennenzulernen und für die Daheimgebliebenen zeichnerisch und malerisch festzuhalten, ließ auch zahlreiche Künstler und Künstlerinnen des Klassizismus, des Biedermeier und des Realismus im 18. und 19. Jahrhundert zu nahen und fernen Destinationen aufbrechen.
Dies geschah entweder aus eigenem Antrieb als Bildungsreise, um sich Anregungen für das eigene Kunstschaffen zu holen, oder im Auftrag von Herrscherhäusern und Kunstverlagen, die Werke mit den schönsten Ansichten einer Region herausgaben. Pittoreske Eindrücke boten sich viele, sei es vor antiken Bauwerken in Rom, in Landschaften unter südlicher Sonne und alpinen Bergwelten, an malerischen Seen, entlang der Donau und des Rheins oder bei Reisen in ferne Länder.
Grand Tour
War die Kavalierstour seit der Renaissance nur Söhnen aus Adelsfamilien vorbehalten, setzte sich diese als „Grand Tour“ ab dem 18. Jahrhundert auch im Bürgertum durch. Als mehrjährige Reise durch Europa mit dem Ziel Rom war sie der Abschluss jeder höheren Bildung. Immer wieder ließ man sich dabei von Künstlern begleiten, die die Schönheiten der Natur festhalten sollten.
Im Lauf der Zeit bildeten sich feste Routen heraus, die zu Städten führten, die man unbedingt gesehen haben musste. Engländer führte die Reise von London aus an die Kanalküste und als erste wichtige Station nach Paris. Über das Burgund und Lyon reiste man nach Marseille und weiter nach Italien, wo zunächst Florenz die bedeutendste Destination war. Nach dem Besuch von Pisa und Lucca ging es zum ersehnten Reiseziel der Ewigen Stadt, in der man meist einige Monate verbrachte. Fast obligatorisch war es, sich dort von Künstlern porträtieren zu lassen. Auch Neapel stand auf der Reiseroute, und manche zog es sogar bis nach Sizilien, wie Johann Wolfgang von Goethe. Der Rückweg verlief dann über Verona, Padua und Venedig. Es gab daneben aber viele individuelle Routen, die den Interessen und Beziehungsnetzwerken der Reisenden entsprachen und auf der Fahrt zurück in die Heimat durch Deutschland, Österreich, die Schweiz und die Niederlande führten.
War man nach monatelangen Reisen und vielen Zwischenstationen in Rom angekommen, blieb man einige Monate, um sich möglichst umfassend mit den Kunstschätzen der Stadt vertraut zu machen. Johann Joachim Winckelmanns Geschichte der Kunst des Altertums (1764) spielte eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Verbreitung der Antikenbegeisterung. Man besuchte Museen, alte Kirchen, antike Monumente und Stätten, wie die Ausgrabungen auf dem Palatin, einem der sieben Hügel Roms.
Entdeckung der Berge – von der Bedrohung zum Reiseziel
Im Laufe des 18. Jahrhunderts wandelte sich der Blick auf das Hochgebirge: Was zuvor als wild und unzugänglich galt, wurde zum Inbegriff erhabener Natur. Mit verbesserten Verkehrswegen setzte Mitte des 19. Jahrhunderts eine Blütezeit des Alpinismus ein.
Erzherzog Johann bemühte sich um eine systematische Landesbeschreibung der Steiermark; es entstanden dabei rund 1400 Aquarelle und Zeichnungen seiner Kammermaler. Diese entstammen mehreren Künstlergenerationen. Bekannte Vertreter wie Matthäus Loder und Thomas Ender bringen den Betrachter:innen mit ihren Werken die Schönheiten der österreichischen Landschaft näher.
Eine Hochblüte der österreichischen Aquarellmalerei fällt in die Zeit der Regierung Kaiser Ferdinands I., der zahlreiche Künstler mit Reisedokumentationen beauftragte. Er engagierte Künstler wie Eduard Gurk, Jakob Alt und dessen Söhne Rudolf und Franz, sowie Leander Russ, deren Arbeiten vom Salzkammergut bis zu den ägyptischen Pyramiden viele nahe und ferne Orte illustrieren.
Ein Blick auf die Künstlerinnen in der Landschaftsmalerei rundet die Präsentation in der Propter Homines Halle ab: Die Österreicherinnen Olga Wisinger-Florian und Tina Blau hatten bereits zu Lebzeiten Erfolge mit ihrer Kunst und durften an Ausstellungen teilnehmen. Andere Künstlerinnen wie Emilie Mediz-Pelikan und Marie Lippert-Hoerner bleiben hingegen weitgehend unbekannt. Denn ein akademisches Studium der Malerei war ihnen bis ins 20. Jahrhundert versagt, und sie erhielten selten Aufträge, für die sie reisen und malen durften.
Reisen im Kopf
Die aktuelle Sommerausstellung der Albertina beleuchtet diese künstlerische Reiselust anhand von Meisterwerken des 18. und 19. Jahrhunderts aus eigener Sammlung und zeigt dabei die vielen sehr unterschiedlichen Reisepfade. Der Bogen spannt sich von der „Grand Tour“ über das Antikenstudium, die italienische Landschaft, die Schönheiten der österreichischen Landstriche, die Faszination der Bergwelt und der romantischen Rheinreise bis zu den Entdeckungsreisen in andere Erdteile.
Kostbare Zeichnungen und farbintensive Aquarelle lassen die Sehnsucht nach neuen Horizonten, individuelle Naturerlebnisse wie auch die Reisebedingungen jener Zeit nachempfinden. So wird das Reisen zur Kunst und die Kunst zum Spiegel der Reise.
Kooperation
Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit der Albertina verfasst.
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