Die 3D-Rekonstruktion des Heidentors

Die originalgetreue Nachbildung des Heidentors, wie es im 4. Jhdt. n. Chr. erschaffen wurde

Im Rahmen des Projekts „Twin it! – 3D for Europe’s culture“ digitalisierten die Landessammlungen Niederösterreich das Heidentor von Carnuntum als Symbol des römischen Österreichs in 3D. Neben der heutigen Ansicht wurde auf Basis von historischen Ansichten und wissenschaftlichen Kenntnissen auch eine Rekonstruktion des Heidentors erstellt, wie es zu seiner Entstehungszeit im 4. Jahrhundert ausgesehen haben könnte.

Der Quadrifrons und seine Materialien

Das Heidentor war ursprünglich ein sogenannter Quadrifrons, ein Bau mit vier Pfeilern, die durch vier Torbögen verbunden sind. In der Mitte steht bis heute ein massiv gebauter runder Sockel, auf dem sich in antiker Zeit wahrscheinlich eine lebensgroße Statue des Kaisers befunden hat. 

Das Heidentor wurde in der römischen Spätantike erbaut, vermutlich in der Regierungszeit von Kaiser Constantius II (351–361 n. Chr.). Es hatte eine Seitenlänge und eine Höhe von etwa 14,5 m. Oberhalb der Bögen befand sich die Attikazone mit Säulen, Konsolen und Skulpturen aus Marmor und Inschriftenfeldern über den Bögen.

Der Kern der vier Pfeiler bestand aus römischem Gussmörtel und Bruchsteinen, die Außenschale aus großen Werksteinen und Ziegelmauerwerk. 

Der Dachabschluss wurde im aktuellen 3D-Modell der Rekonstruktion pyramidal ausgestaltet. Bereits im Jahr 1769 wurde durch Matthias Fuhrmann ein Flachdach mit Figurenbekrönung als Möglichkeit in Betracht gezogen.

Pyramiden- oder Flachdach?

Nachdem Josef Dell im Jahr 1904 ein hoch aufragendes Pyramidendach rekonstruiert hatte, wurde in den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts wieder eher ein Flachdach in Erwägung gezogen. Später teilte man weiterhin diese Überlegung, jedoch könnte auch ein flach geneigtes Dach möglich gewesen sein.

Der Figurensockel und Marmorfiguren

In der Mitte der Torbögen stand ein Figurensockel, der vermutlich eine goldene oder vergoldete überlebensgroße Kaiserstatue trug. Aufgrund der Zeitstellung wird es sich bei der Kaiserstatue vermutlich um Constantius II gehandelt haben. Die goldene Kaiserstatue auf dem Rundsockel wurde für die 3D-Rekonstruktion des Heidentors eigens erstellt und soll einen Eindruck davon vermitteln, wie die Statue in der Gesamtansicht aussehen hätte können.

Das Kreuzgewölbe in der Mitte der Bogendurchgänge war verputzt und mit Wandmalerei geschmückt. 

In den Nischen der Attikazone standen Marmorfiguren, worauf einige Fragmente aus dem Fundmaterial hinweisen. Bis auf einige stark fragmentierte Inschriftenreste waren die Figurenfragmente die einzigen Hinweise auf die Verwendung von Marmor.

Was ist eine Attikazone?

Eine Attikazone ist ein architektonisches Element in Bauwerken aus der Römerzeit, das als erhabener, dekorativer Mauerabschluss oberhalb des Hauptfassade dient. Bei Bauwerken wie dem Heidentor diente die Attika häufig dazu, die Struktur optisch zu erhöhen und wurde oft mit Reliefs und Inschriften verziert, die symbolische oder dekorative Bedeutung hatten.

Marmorfragment aus der Attika mit der Darstellung eines abgewinkelten Armes einer Figur und Teile eines Mantels.

Das gezeichnete 3D-Modell

Um aus einer 2D-Vorlage ein 3D-Modell zu gestalten, werden die Bauteile in einem aufwendigen Zeichenprozess digital gestaltet und einzeln in das Modell eingesetzt. Hierfür war eine enge Abstimmung zwischen technischem Zeichner und Archäologen notwendig, um besonders die Oberflächenstruktur, die Attikazone, die Dachgestaltung oder auch die Gesimse bestmöglich darzustellen und mit dem aktuellen Forschungsstand in der Rekonstruktion des römischen Modells auszuführen. 

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