Wie digitalisiert man ein Monument? (Making-of)
Was wird benötigt, um ein 12 Meter hohes und breites Bauwerk in 3D abzubilden? Über die Drohnenflüge und 3D-Modelle des Heidentors.
Das Heidentor in Petronell-Carnuntum wurde im Rahmen von „Twin it! – 3D for Europe’s culture“ von den Landessammlungen Niederösterreich mit modernsten Technologien in 3D digitalisiert. So gelang es, das Symbol des römischen Österreichs online zugänglich zu machen. Jede Digitalisierung trägt auch zum Erhalt unzähliger Details eines Bauwerks bei.
Making-of-Video
Stellen Sie sich vor, Sie könnten durch die Zeit reisen und eines der beeindruckendsten Bauwerke der römischen Geschichte hautnah erleben. Wäre es nicht faszinierend, das Heidentor aus dem 4. Jahrhundert von zuhause aus zu erkunden? Dank moderner 3D-Technik ist das jetzt möglich. Blicken Sie mit uns im Making-of hinter die Kulissen der 3D-Digitalisierung.
3D-Digitalisierung des Heidentors
Unter Einsatz einer Drohne wurde eine aktuelle Aufnahme des heute sichtbaren Tors Heidentors erstellt. Die Drohne erfasst hochauflösende Fotos aus verschiedenen Perspektiven und Höhen, aus denen sich schließlich ein umfassendes 3D-Modell am Computer zusammensetzen lässt. Diese „Fotogrammetrie“ genannte Technik braucht leistungsstarke Technologie und viel Expertise.
Danach wurden weitere drei Modelle nativ in 3D am Computer erstellt, die Ansichten des Heidentors in unterschiedlichen Epochen zeigen. Damit lässt sich toll vergleichen, wie das Heidentor heute aussieht und wie es einmal ausgehen haben könnte.
Die 3D-Modelle im Kulturpool
Das Heidentor ist in mehreren 3D-Modellen im Kulturpool zu finden:
- Das Heidentor von Petronell-Carnuntum – die Ansicht des Heidentors von heute
- Rekonstruktion des Heidentors – das Heidentor zur Zeit seiner Entstehung vor fast 2.000 Jahren
- Das Heidentor zu Beginn des 19. Jahrhunderts – historische Rekonstruktion
- Das Heidentor zu Ende des 19. Jahrhunderts – historische Rekonstruktion
Rollen im Digitalisierungsteam
In der 3D-Digitalisierung gibt es verschiedene Rollen im Team:
Für die inhaltliche Auswahl und Kontextualisierung der Objekte sind Kuratorinnen und Kuratoren (etwa Historikerinnen und Archäologen) zuständig. Sie verfügen über das nötige Fachwissen und erzählen in Begleittexten oder über Anmerkungen im 3D-Modell die Geschichte zum Objekt.
Für die fotografische Erfassung und spätere Datenverarbeitung braucht es Fotogrammetrie-Expertinnen und -Experten, die auch die Bedienung der Drohne für Luftaufnahmen übernehmen sollten.
Das 3D-Modell wird schließlich von Grafikerinnen und Grafikern erstellt. Dazu ist die spezielle Visualisierungs-Expertise der 3D-Modellierung notwendig.
Zuletzt benötigt es auch jemanden mit Digitalisierungsexpertise, um das Endprodukt der Öffentlichkeit auf einer Online-Plattform zugänglich zu machen.
Welche Technik braucht es?
Für das Digitalisieren mittels Fotogrammetrie braucht es technisches Equipment und Software.
Kamera & Objektive: Eine hochauflösende DSLR- oder spiegellose Kamera ist ideal. Weitwinkelobjektive eignen sich für Aufnahmen von großen Objekten und Panoramen. Ein robustes Stativ wird zusätzlich empfohlen.
Drohne: Für Luftaufnahmen von großen oder schwer erreichbaren Monumenten ist eine Drohne mit einer hochwertigen Kamera das Mittel der Wahl.
Messwerkzeuge: Für das Messen von Abständen und Dimensionen eignen sich Laser-Entfernungsmesser oder ähnliche Messgeräte.
Software für Fotogrammetrie: Für das Erstellen des 3D-Modells aus den einzelnen Fotos braucht es spezialisierte Software, im Fall des Heidentor-Modells wurde dafür die Software Reality Capture verwendet. Zur Nachbearbeitung und Erstellung der historischen Modelle kam die Software Blender zum Einsatz.
Computer & Speicher: Fotogrammetrie braucht leistungsstarke Rechner mit starken Grafikkarten und viel RAM sowie ausreichend internen und externen Speicherplatz für Sicherungen.
GPS-Gerät: Zur Georeferenzierung und Standortbestimmung können GPS-Geräte hilfreich sein.
Der Superstar: Die Drohne
Für das Heidentor wurde die Drohne DJI Mavic 3 Enterprise aufgrund der hochauflösenden Kamera, des geringen Gewichts und der leichten Bedienung verwendet. Eine zentimetergenaue Kartierung ist mit dieser Drohne ebenfalls möglich.
Tatsächlich benötigt es vor dem ersten Abheben der Drohne einiges an Vorarbeit, die auch aufgrund unterschiedlicher nationaler Gesetze überall etwas anders aussehen kann. Die Pilotin oder der Pilot der Drohne braucht einen entsprechenden Drohnen-Führerschein. In Österreich ist eine Haftpflichtversicherung für Drohnen zwingend notwendig. Mit der Versicherungsnummer wird dann die Registrierung der Drohne bei der österreichischen Luftfahrtagentur Austro Control (dronespace.at) digital beantragt. Diese Registrierungsnummer muss an der Drohne angebracht werden. Abschließend folgt die Registrierung beim Drohnenhersteller.
Für Drohnen gibt es Flugbeschränkungen, die von der Austro Control bestimmt werden. So ist es verboten, in der Nähe von Flughäfen und deren Kontrollzonen, Hubschrauberlandeplätzen von Krankenhäusern und militärischen Einrichtungen zu fliegen. Je nach Startgewicht der Drohne dürfen unbeteiligte Personen nicht überflogen werden. Flugbeschränkungszonen werden auf online verfügbaren Karten angezeigt.
Ablauf und Dauer
Für die fotogrammetrische Erfassung des Heidentors waren entsprechende Wetterbedingungen die Grundvoraussetzung, um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen. So musste einige Wochen auf bewölktes, aber nicht regnerisches Wetter gewartet werden. Regen ist nicht gut für die Drohne und Sonne wirft Schatten, die später auch im 3D-Modell sichtbar wären, was nicht optimal ist. Bewölktes Wetter gibt hingegen passendes diffuses Licht.
An einem Tag waren die Bedingungen endlich ideal und die Drohne konnte zum ersten Mal abheben. Innerhalb eines Vormittags waren die Aufnahmen erfolgreich abgeschlossen.
Die ersten Ergebnisse des 3D-Modells lagen bereits nach zwei Tagen vor. In den Folgewochen wurden die Annotationen vorbereitet, die eine Verortung von antiken Spolien im Heidentor ermöglichen. Zusätzlich wurde die menschliche Figur in einem Studio aufgenommen und in das 3D-Modell implementiert, um die Größenverhältnisse besser aufzuzeigen.
Insgesamt dauerte die Digitalisierung des Heidentors von der Planung bis zum digitalen Zwilling etwa sechs Wochen. Diese kurze Zeitdauer konnte nur durch erfahrene Expertinnen und Experten realisiert werden.